Mit dem Copyright gegen Kritik
Oliver
Frommel 06.12.2002
Der Chemiekonzern Dow nutzt den Digital Millennium
Copyright Act, um einen Provider zu zwingen, eine kritische Website
aus dem Netz zu nehmen
Der Digital
Millennium Copyright Act ist nicht nur ein willkommenes
juristisches Werkzeug zur Eindämmung des Kopierens von Filmen und
Musik im Internet. Auch gegen unliebsame Websites kann dieses Gesetz
verwendet werden. Der Chemiekonzern Dow ging damit jetzt gegen eine
kritische Website vor, die die Dow corporate identity kopiert
hatte.
Die Firma Dow Chemical
ist mit einem Jahresumsatz von 28 Milliarden Dollar und einer
Präsenz in mehr als 170 Ländern einer der größten Chemiekonzerne der
Welt. Bekannt ist er freilich auch durch die Herstellung von
Kampfstoffen wie Napalm
und Agent
Orange.
Im Jahr 2001 übernahm Dow Chemical die Firma Union Carbide, die
1984 bei dem Gas-Unglück von Bhopal traurige Berühmtheit erlangte.
Nun hatte Union Carbide bereits 1989 eine Entschädigung in Höhe von
470 Millionen Dollar bezahlt und den Fall damit weitgehend
abgeschlossen. Die einzelnen Opfer sollen aber angeblich nur
zwischen 300 und 500 Dollar bekommen haben. Durch die Konstruktion
der Firmenübernahme schloss Dow Chemical im übrigen jede Haftung für
das Unglück aus, wie sich der entsprechenden Stellungnahme
entnehmen lässt.
Die Opfer und einige mit ihnen solidarische NGOs halten diese
Kompensation aber für nicht ausreichend. Schließlich wurden bei der
Katastrophe Tausende Menschen getötet und Hunderttausende verletzt,
die zum Teil noch heute unter den Folgen zu leiden haben. So gibt es
selbst im Jahr 2002 wieder Demonstrationen,
in denen die Betroffenen versuchen, ihre Rechte geltend zu machen.
Aus dem Umfeld von rtmark wurde in diesem
Zusammenhang eine Website mit ähnlichem Anliegen betrieben, die die
corporaty identity der offiziellen Dow-Site kopierte. Auf den ersten
Blick kaum erkennbar, waren in Presseerklärungen
zynische Stellungnahmen zu der Bhopal-Katastrophe zu finden, die
auch dem unbedarften Surfer seltsam vorkommen
mussten. Auch der Domainname dow-chemical.com ließ wohl manchen an
Großchemie interessierten Web-User hier landen.
Diese Website scheint Dow unangenehm aufgestoßen zu sein, die
Firma schaltete ihre Anwälte ein. Diese kontaktierten die Firma verio.net, die als Provider gegenüber
thing.net auftritt, die wiederum
den Server der Parodie-Site betreibt. Konfrontiert mit dem Vorwurf
des Verstoßes gegen den DMCA schaltete verio.net kurzerhand die
Leitung zu thing.net ab, und der kleine ISP war erst mal ohne
Internet. Gegen geltendes Recht wurde von den Betreibern angeblich
nicht nur durch die Verwendung kopierter Logos verstoßen, sondern
auch durch die Verwendung der Domain dow-chemical.com. In dem
Schreiben sind dementsprechend Verstöße gegen den DMCA, den
Anticybersquatting Consumer Protection Act und den Lanham Act
aufgelistet.
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"Dow has recently discovered that the
operator(s) of dow-chemical.com (the "Website") is blatantly
violating Dow’s intellectual property rights. Dow provides
this notification of infringement pursuant to the Digital
Millennium Copyright Act (the "DMCA")." Aus dem Schreiben an
verio.net |
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Thing.net konnte seinen Betrieb nach dem Abschalten der
fraglichen Website wieder aufnehmen - unter der Androhung, die
Anbindung endgültig zu verlieren, sollte diese wieder ans Netz
gehen. rtmark selbst reagierten mit einer Erklärung, die sie
nutzten, auf das eigentliche Problem hinzuweisen.
Wie schon im Fall von gatt.org ( Die WTO
schließt eine kritische Website, Hunderte neue entstehen)
erweisen sich die Urheberrechtsgesetze und der DMCA als Mittel,
unliebsame Websites aus dem Verkehr zu ziehen. Es bleibt abzuwarten,
ob die Sache auch in diesem Fall wieder glimpflich verlaufen wird (
Gatt.org
bleibt vorerst im Netz).