Online-Geschichten, die das leben schreibt: Warum die WTO mit Todestorten wirftOnline-Narren leimten einen österreichischen Veranstalter von Juristenkongressen auf besonders hübsche ArtDatum: 25.01.01 (iBusiness) Dass Domainnamen, Mailadressen und ähnliches nicht unbedingt gewährleisten, es immer mit seriösen Partnern zu tun zu haben, dürfte klar sein. Die Eulenspiegelei, mit der ein österreichischer Veranstalter von Juristenkongressen von einer Gruppe von Online-Narren geleimt wurde, haben allerdings Seltenheitswert. Es geht dabei um die Organisatoren eines juristischen Fachkongresses, die mit Verweis auf das Salzburger Center for International Legal Studies nach Referenten für einen Kongress im Herbst vergangenen Jahres suchten, wie uns der rührige Betreiber des Dienstes Internet Intern berichtete. Was lag für die Organisatoren also näher, so geht die Geschichte weiter, als die Einladung eines Sprechers der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization), dem Nachfolger des GATT-Abkommens (General Agreement on Tariffs and Trade). Und man wurde auch schnell fündig. Unter der Adresse gatt.org fand man die vermeintlich offizielle Seite der WTO und lud den Generaldirektor der Organisation als Referenten ein. Schade nur, dass die Organisatoren die von ihnen konsultierte Site nicht genauer in Augenschein nahmen. Dieser englischsprachige Auftritt ähnelt zwar der offiziellen Site, wird aber von Gegnern des grenzenlosen freien Handels betrieben. Dahinter steht ein loser Verband von WTO-Kritikern, den Yes Men, die den weiteren Verlauf der Absurditätenkette lückenlos dokumentieren. Die Juristen luden demnach ohne weitere Bedenken den WTO-Generaldirektor Mike Moore als Redner ein. Dieser - beziehungsweise ein Mitglied der "Yes Men" - antwortete freundlich, er selbst habe keine Zeit, aber vielleicht könne ein Vertreter erscheinen. Die Organisatoren stimmten zu und nach Klärung einiger finanzieller Probleme wurde ein Dr. Andreas Bichlbauer für die Konferenz nominiert. Der Name war zufällig aus einem Wiener Telefonbuch gegriffen. Der angebliche Dr. Bichlbauer erschien auch bei der Konferenz, irritierte aber die Teilnehmer mit seinem Vortrag dann doch ein wenig: Er erläuterte beispielsweise, dass Italiener eine niedrigere Arbeitsmoral als Holländer haben, dass es der amerikanischen Demokratie entgegenkäme, wenn die Wählerstimmen versteigert würden, und dass es die hauptsächliche Funktion der WTO sei, eine einheitliche Weltkultur zu schaffen. Kritik bügelte er mit dem Hinweis weg, er sei nun mal ehrlicher als man es von den üblichen WTO-Verlautbarungen kenne. Die genannten Details wurden dabei reichlich aggressiv untermauert: Der Merger zwischen KLM und Air Italia sei nur deshalb gescheitert, weil die Italiener zu faul seien und den ganzen Tag schliefen. Das demonstrierte er auch in einer Slide-Show mit einem Bild eines am Arbeitsplatz schlafenden Italieners. Nach der Rede zog Dr. Bichlbauer ab, doch nach Verlassen der Räumlichkeiten wurde ihm - oh Zufall - eine Torte ins Gesicht geworfen. Dabei wollte er gerade aus Furcht vor einem solchen Anschlag einen Leibwächter mitbringen. Dafür konnte ein ebenfalls - zufällig - anwesender Kameramann den Vorgang aufzeichnen.
Danach haben sich die "Yes Men" offenbar dem Spieltrieb hingegeben und die Posse noch weiter getrieben. Erst fragten sie offiziell nach, ob sich denn eventuell einige Teilnehmer des Kongresses besonders von dem Vortrag angegriffen fühlten. Die von Dr. Bichlbauer empfangene Torte sei jedenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Bazillus infiziert gewesen. Er selbst liege seit dem Vorfall krank darnieder. Dann schließlich musste Dr. Bichlbauer sterben. Dahingerafft von einer "verfaulten Torte", die ihm - möglicherweise absichtlich - von einem Kongressteilnehmer an den Kopf geworfen wurde. Die Trauermeldung war verbunden mit der Bitte, aus verständlichen Gründen möglichst nicht die Presse zu informieren. Die Reaktionen auf diese Meldung waren herzerweichend. Endlich waren die von Dr. Bichlbauer geäußerten "kontroversen" Aussagen auf den geeigneten Boden gefallen und sein Tod wurde viel bedauert. Schade nur, dass jetzt endlich auch die Veranstalter begriffen, Opfer einer riesigen Narretei geworden zu sein. Sie forderten die Betreiber von Gatt.org auf, sich nach dem gelungenen Witz nun ein neues Opfer auszusuchen. Na dann...
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