Umlauterer Wettbewerb in Österreich
Fakes und Homepage-Klones als Protesttechnik
FPÖ-Fake
ÖVP-Fake
SWR2: Fakes und Lügen im Internet
Österreich und seine Anfangsbuchstaben. Dass Haider -zurückgetreten oder nicht - nun ausgerechnet mit dem achten Buchstaben im Alphabet beginnt, ist oft als Ironie der Geschichte bezeichnet worden. Zur ausgleichenden Gerechtigkeit könnte nun das "Ö" des Alpenlandes werden. Denn mit dem einen hat man in Europa Schwierigkeiten, mit dem anderen aber auf der ganzen Welt. Im Internet sind Umlaut-Adressen nicht möglich. Statt www.fpö.at muss es also www.fpoe.at heißen. Da jedoch viele Benutzer daran oft nicht denken und nur den Vokal eingeben, werden die zwei fehlenden Pünktchen zum Zünglein an der WWWaage. www.fpo.at entpuppt sich als Klon der Seite der Freiheitlichen, mit identischem Layout, aber einem Inhalt, der rechtspopulistisches Gedankengut persifliert.

So warnt auf dieser Seite Jörg Haider Europa vor der weiteren "Einmischung in die inneren Angelegenheiten Serbiens, Russlands und Österreichs", sonst würden, so das gefakte Zitat weiter, "wir uns nämlich überlegen, ob wir nicht auch Russland in unseren neuen Staatenbund aufnehmen!" Die Stationierung von russischen Atomwaffen auf österreichischem Gebiet werde aber vorläufig noch nicht erwogen. Lesenwert auch die Rubriken für die Links: "Bund", "Land", "Kärnten", "Und morgen die ganze Welt". Ein weiteres Opfer dieser Internet-Proteststrategie ist die Seite der ÖVP. "Wegen Übernahme geschlossen! Sie werden in wenigen Sekunden zum neuen Besitzer umgeleitet ..." - diese Meldung kann man nach Eingabe von www.ovp.at noch kurz erspähen, bevor man zur (geklonten) Internetseite der FPÖ umgeleitet wird. Falls diese Bemerkung noch erlaubt ist: Aus Sicht der Gegner einer ÖVP/FPÖ-Regierung hätte man mehr Links auf die Original-ÖVP-Seite setzen sollen, statt davon abzulenken. Denn dort gibt es viel an kontraproduktiver Symbolik zu entdecken. Etwa im Online-Shop "Das rotweißrote Weltkugelbuch" oder die CD "Märchen aus EU-Ländern", auf der Wolfgang Schüssel und seine Freunde fünfzehn Märchen aus EU-Ländern lesen, wobei schwer zu entscheiden ist, was mehr erstaunt: Das prophetisch-prophylaktische Wort vom "Märchen" oder dass Wolfgang Schüssel noch so viele Freunde hat...
WTO-Fake
Giuliani-Fake
Bush jr.-Fake
Das Klonen ist im Internet weit verbreitet. Bereits im Fall des "Battle of Seattle" spielte der immer noch existierende Klon der offiziellen WTO-Homepage eine bedeutende Rolle der Protestartikulation. Auch in aktuellen Wahlkämpfen kommt dem Internet eine immer größere Rolle zu. So gibt es Fakes von Rudolph Giulianis Homepage, wo er sich scheinbar als "An Extreme Leader for an Extreme State" anpreist, und von George Bush Juniors Internetseite, wo sich der Republikaner zu seinen Drogenproblemen outet.

Adorno hätte an dieser virtuellen Form von Mimesis ans Verhärtete vermutlich seine Freude gehabt, doch zugleich die Dialektik der Technik betont. Das Faken von Internetseiten hat ebenso wie das gentechnischen Klonen unverkennbare Schattenseiten. Mag man sich mit (eindeutig zu identifizierenden) Aktionen gegen das rechtsextremistische Lager noch einverstanden erklären, so wird doch erkennbar, dass das Internet der Raum der unbegrenzten "Fälschungs"-Möglichkeiten ist. Damit ist nicht das Spiel mit Adressähnlichkeiten gemeint, etwa www.whitehouse.com anstelle www.whitehouse.gov, also Porno statt Weißes Haus, sondern die grundsätzliche Frage nach dem Wahrheitsgehalt des Informationsuniversums Internet.

02.03.2000
Ronald Dietrich (Kulturzeit)