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Hochstapler ohne Grenzen
Die "Yes Men" sind Globalisierungsgegner. Sie geben sich
als Vertreter der Welthandelsorganisation WTO aus, halten
absurde Vorträge - und niemand merkt etwas
Tilman Baumgärtel BERLIN, 7.
September. Zum Abschluss des Vortrags streifte ein Assistent
dem Redner den schwarzen Abendanzug ab. Darunter kam ein
hautenges, golden glänzendes Kostüm zum Vorschein. Der
Referent riss die Arme hoch, da erhob sich zwischen seinen
Beinen ein längliches Objekt, das aussah wie... nun ja, wie
ein Phallus mit einem eingebauten Monitor. Dieser Mann sollte
ein Vertreter der World Trade Organisation (WTO) sein?
Die Finnen haben es geglaubt. Brav applaudierten 150
Zuschauer bei einer Veranstaltung der Technischen Universität
Tampere dem Referenten in dem merkwürdigen Kostüm, der
angeblich von der Welthandelsorganisation kam. Hank Hardy
Unruh, wie er sich vorstellte, sprach bei der Konferenz
"Fasern und Stoffe für die Zukunft". Zwei Tage nach dem
befremdlichen Auftritt berichtete "Aamulehti", die zweigrößte
Zeitung Finnlands, in einem Artikel über die Vorstellung, die
Unruh gegeben hatte. Neben dem Text war ein großes Foto von
Unruh, das ihn in seinem Anzug zeigte. Dies sei, so hatte der
amerikanische Spezialist erläutert, ein neuartiges
Kleidungsstück, mit dem Manager in der Freizeit jederzeit
Kontakt mit ihrem Unternehmen herstellen können. Über
Funkverbindungen würde der "Management Leisure Suit" die
neuesten Informationen über Produktivität, Krankenstand und
Börsennotierung der Firma empfangen. Unruh: "Die Technologie,
mit der so ein Anzug geschaffen werden kann, existiert schon
heute."
Für Frauen ungeeignet
Keiner der Teilnehmer oder der Organisatoren der Konferenz
kam auf die Idee, dass es sich bei dem Referenten um einen
Witzbold oder gar um einen Schwindler handeln könnte. Kritik
an dem Vortrag gab es nicht. Lediglich eine Teilnehmerin
wandte ein, dass das Kostüm wegen seiner eigentümlichen Form
für Managerinnen ungeeignet sei.
Um es kurz zu machen: Es gibt gar keinen Hank Hardy Unruh,
schon gar nicht bei der WTO. Der Mann, der in Finnland
auftrat, will zwar seinen wahren Namen nicht nennen. Aber er
gibt auf Nachfrage gerne zu, dass er politischer Aktivist und
Mitglied der "Yes Men" (Ja-Sager) sei. Die präsentieren sich
als "Gruppe von Hochstaplern auf der ganzen Welt", die sich
"jedes notwendigen Mittels bedienen, um in die abgeschiedenen
Zirkel der Finanzwelt vorzudringen. Dort stellen sie dumme
Fragen und schmuggeln die Geschichten ihrer Eskapaden hinaus,
um die Öffentlichkeit zu informieren."
Die Einladungen zu den hochkarätigen Treffen erhalten die
Ja-Sager über ihre Website http://www.gatt.org/. GATT -
das General Agreement on Tariffs and Trades - wurde 1994 von
der WTO abgelöst, und die GATT-Homepage sieht auf den ersten
Blick aus wie die Website der WTO. Nur wer genauer hinsieht,
entdeckt, dass sie vor allem
Anti-Globalisierungs-Informationen enthält.
Professor Pertti Nousianine von der Universität Tampere
hatte über die Website per E-Mail eine Einladung an den
WTO-Vorsitzenden Michael Moore geschickt. Der sagte höflich
ab, und kündigte als seinen Stellvertreter Mr. Unruh an. Der
pries in seinem Vortrag, unterstützt von einer perfekten
Computershow, den freien Markt.
Dann verstieg sich der Vortragende zu der Theorie, dass der
amerikanische Bürgerkrieg "eine gigantische Geldverschwendung"
war. Wenn man die Südstaaten "dem freien Spiel der Marktkräfte
überlassen hätte", wäre die Sklaverei von selbst abgeschafft
worden. Präsident Abraham Lincoln hätte nur auf kriminelle
Weise in die Handelsfreiheit der Südstaaten eingegriffen. Auch
der indische Freiheitskämpfer Ghandi blieb nicht verschont: er
habe durch sein Handeln vor allem die Freizügigkeit des
indischen Marktes behindert.
Schon vor dem Auftritt in Finnland haben die "Yes Men" ihre
merkwürdigen Ansichten bei öffentlichen Veranstaltungen im
Namen der WTO vortragen können: Bei einer Konferenz von
Wirtschaftswissenschaftlern in Österreich erklärte ein "Dr.
Bichlbauer" dem verblüfften Publikum, dass die WTO dafür sei,
nur noch Großkonzernen das Wahlrecht einzuräumen. Bei einer
Diskussionsrunde auf CNN sagte ein angeblicher WTO-Vertreter,
dass seine Organisation sich an Charles Darwin orientiere und
Globalisierungsgegner in Umerziehungslager gehörten: "Wir
finden, dass sich diese Leute zu sehr an der Realität
orientieren."
Vor dem nächsten Einsatz
Für den "Yes Men", der in Finnland als Mr. Hank Hardy Unruh
auftrat, sind diese Aktionen "weder Streiche noch
Performance-Kunst. Wir wollen zeigen, dass es möglich ist,
unter dem Namen der WTO gefährliche Ideen zu propagieren. Und
wer genau zuhört, wird merken, dass diese Ideen im Grunde nur
die logischen Konsequenzen von dem sind, was die WTO schon
propagiert."
Der nächste Einsatz der "Yes Men" ist für eine Konferenz
mit dem Titel "Geschäfte ohne Grenzen" geplant. Wo diese
stattfinden soll, wollen sie natürlich noch nicht sagen. Aber
auf die vierhundert Zuhörer, denen sie dort den "offiziellen
Standpunkt der WTO" erläutern können, freuen sie sich jetzt
schon.
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