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Kunst gegen Marke
25. Dez 07:59

Kunstprojekt unter Beschuss: Kündigung zu Ende Februar.
Foto: bbs.thing.net
Dem Netzkunst-Server «The Thing» wurde zu Ende Februar die Internet-Verbindung gekündigt. Ein Projekt auf dem «The Thing»-Server ging dem Provider zu weit.

 
Nach einem kritischen Webprojekt, das sich mit der Rolle des Chemiekonzerns «Dow Chemicals» bei der Aufarbeitung des Unfalls im indischen Bhopal beschäftigt, flatterte einem der ältesten und renommiertesten Netzkunst-Server die Kündigung ins Haus. Mehr als hundert Webkunstprojekte und über 200 Homepages von Künstlern, Autoren und Aktivisten könnten ihre Heimat im Internet verlieren. Das Projekt, das sich den Unmut von «Dow Chemicals» zuzog, endete damit, dass der Provider «Verio Inc.» den Internetzugang von «The Thing» kündigte.

Am 3. Dezember 2002 zum 18. Jahrestag des Chemie-Unglücks im Bhopal wurde eine E-Mail verbreitet, in der der Absender «press@dow-chemical.com» erklärte, dass der Chemiekonzern keine Verantwortung für die Altlasten des Werks in Bhopal übernehmen könne, da er an seine Teilhaber und den Aktienkurs denken müsse. Interessierte wurden auf die Website dow-chemical.com verwiesen, deren Layout auf den ersten Blick dem der Chemiefirma glich. Erst wenn man genauer hinschaute und die Texte las, wurde klar, dass dies es sich um eine clever konstruierte Parodie handelte.

Mehr im Internet
  • Dokumentation des Dow-Projekts
  • The Thing Website
  • Dahinter steckte eine Gruppe von Künstlern und Aktivisten namens «The Yes Men», die schon mit anderen gefälschten Websites auf die Problematik von Unternehmensmacht, Globalisierung und ungebremstem Kapitalismus aufmerksam gemacht hatten.

    Copyrightverstoß führt zur Kündigung

    Das echte «Dow Chemicals» wurde schon am nächsten Tag auf die Satire aufmerksam und rief beim Internet-Provider von «The Thing» an, um die Site abschalten zu lassen. Dow berief sich in einem Anwaltsschreiben an Verio darauf, dass die falsche Website gegen den «Digital Millennium Copyright Act» verstoße, indem sie das Logo und das Corporate Design von Dow benutze, schrieb das Online-Magazin «Telepolis».

    Mehr in der Netzeitung
  • Internet: Das Ende des Copyrights
    18. Mai 2001 07:56
  • "The Yes Men": Gatt-Projekt
    27. Feb 2002 08:40
  • Innerhalb von kürzester Zeit trennte «Verio Inc.» nicht nur «dow-chemical.com» vom Netz ab, sondern auch alle anderen Projekte und Domains, die von «The Thing» gehostet werden. Von der 16-stündigen Abschaltung waren auch so seriöse Adressen wie das Artforum Magazin und die «P.S.1»-Galerie für zeitgenössische Kunst betroffen.

    In der Zwischenzeit konnte «Dow Chemicals» durch einen Fehler der Polit-Künstler die Seite wieder in Besitz nehmen, ohne jedoch verhindern zu können, dass es mittlerweile Dutzende von Spiegelseiten im Internet gibt. «Verio Inc.» schickte im Anschluss die endgültige Kündigung des Provider-Vertrages an «The Thing» wegen wiederholten Verstoßes gegen die Geschäftsbedingungen.

    Keine Freiheit der Kunst

    Mit der künstlerischen Freiheit im Internet scheint es nicht weit her zu sein. Im Mai dieses Jahres musste im «New Museum of Contemporary Art» in New York ein Projekt der Künstlergruppe «Knowbotic Research», das sich mit Überwachung im Internet beschäftigte, während der laufenden Ausstellung aus dem Netz entfernt werden. Der Provider war der Ansicht, dass das Projekt seine Geschäftsbedingungen verletzte. Das Projekt benutzte ein Programm, das das Netzwerk nach verfügbaren Ports – Datenkanälen, die bestimmte Dienste anbieten – absuchte und diese dann visuell darstellte.

    «Es ist nicht fair, dass alle unsere 300 Kunden wegen dieser Sache leiden», sagte Wolfgang Staehle, der Geschäftsführer von «The Thing» der New York Times. Auch wenn er sich sicher ist, dass er bis zum Februar einen neuen Provider gefunden hat, macht er sich Sorgen, dass sich seine Kunden in der Übergangsphase einen neuen Server suchen.


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