| ||||||||||||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||||||||||||
THE YES MEN Die Rache der Web-Protestklone Von Jochen A. Siegle, San Francisco Internet-Globalisierungsgegner und Weltbank-Kritiker schlagen zurück. Kaum hat sich die WTO daran gemacht, der Parodiensite Gatt.org den Garaus zu machen, fahren die Aktivisten zum Unmut von Wirtschaft und Politik einen "Webseiten-Kopierer" für täuschend echte Protestsites auf.
Um die Zusammenhänge verstehen zu können, muss weiter ausgeholt werden. Schon seit zwei Jahren betreibt eine Gruppe internationaler Online-Globalisierungsgegner namens "The Yes Men" mit Gatt.org eine kritische Verfremdung der WTO-Seite. Delikates Detail dabei für die Welthandelsorganisation: Der Spoof kann kaum als solcher erkannt werden und ähnelt durch Verwendung des WTO-Logos dem Original deutlich - zumindest optisch. Denn inhaltlich ist das Online-Angebot - vereinfacht ausgedrückt - ordentlich verdreht. Hätten das doch nur auch die Organisatoren eines Juristenkongresses in Österreich erkannt, ihnen wäre einiger Spott erspart geblieben, die Yes Men dagegen wären wohl kaum derart bekannt, wie sie es heute sind. Anfang des Jahres war einer ihrer Aktivisten als vermeintlicher WTO-Vertreter zu einem Juristenkongress in die Alpenrepublik eingeladen worden - und auch prompt erschienen. Das Salzburger Auditorium staunte nicht schlecht über den Vortrag eines gewissen "Dr. Bichlbauers", der etwa über die Faulheit der Italiener dozierte, die Vorteile der Versteigerung von Wählerstimmen erläuterte und über die Notwendigkeit einer einheitlichen Weltkultur philosophierte. Am Ende des Referats wurde der falsche Doktor mit einer "vergifteten" Torte beworfen. Wochen später "starb" er sogar an den Folgen des Attentats. Die Yes-Men-Website dokumentiert die schrägen Ereignisse minutiös. Möglich wurde der Klamauk durch eine schnöde Verwechslung. Die österreichischen Organisatoren hatten ihre Einladung an die Webseite Gatt.org gerichtet, und zwar in der Annahme, bei den Betreibern handele es sich um die GATT-Nachfolgeorganisation WTO. Wie mächtig falsch die Österreicher mit dieser Vermutung lagen, dämmerte ihnen erst nach Bichlbauers unvergesslichem Auftritt. Die Welthandelsorganisation fand die Angelegenheit weniger witzig, verzichtete zunächst aber auf ein gerichtliches Vorgehen. Ende November veranlassten die Genfer nun jedoch in Berufung auf den Digital Millennium Copyright Act den Hoster der Site, Verio, dazu, die Betreiber zur Schließung aufzufordern. Die Site verwende urheberrechlich geschützte Zeichen und Inhalte, so die Argumentation der WTO. Nachdem sich Gatt.org-Domaininhaber Jonathan Prince gegenüber Verio-Juristen jedoch auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung berief, zogen diese ihr Ultimatum überraschenderweise wieder zurück. Der aktuelle Stand der rechtlichen Auseinandersetzung ist nicht bekannt. Die Site ist zumindest noch immer online. Automatisierung des politischen Protestes Die Drohgebärden der WTO via Webspace-Provider Verio hat die Online-Satire-Community nun allerdings dazu bewegt, sich für eine eventuell bevorstehende Schließung zu wappnen. Der neueste Clou aus der Yes-Men-Trickkiste ist nun allerdings kein neues Web-Projekt, sondern eine kostenlos downloadbare Software. In weniger als einer Woche haben die "Ja-Sager" das Programm "YesIWill" geschrieben, das zum Unmut von Wirtschaft und Politik selbsttätig exakte Kopien von Webseiten anfertigten kann. Inhaltlich sind die gespiegelten Dokumente dabei nach eigenem Gutdünken modifizierbar.
Bislang ist die Software jedoch nur mit einigem Internet-Know-how zu nutzen. Außerdem ist der Zugang zu einem Unix-Rechner und Perl 5 oder einem Apache-Webserver von Nöten. Doch die Programmierer arbeiten bereits an einer weniger komplexen Version, mit der dann auch Otto-Normalsurfer seine ganz persönlichen Protestklone online veröffentlichen kann. Die WTO warnt ihrerseits seit vergangenem Monat auf ihrem eigenen Online-Angebot vor der Gatt.org-Eulenspiegelei und den verfremdeten Inhalten. "Die gefälschte WTO-Site Gatt.org wurde erstellt, um Internetnutzer irrezuführen", heißt es in einer Pressemitteilung auf dem offiziellen Webauftritt. "Irregeführte Surfer riskieren, den Betreibern ihre E-Mail-Adressen und sonstige Informationen preiszugeben." Um die Verwirrung komplett zu machen, haben die Online- Persifleure selbst eine Fake-Warnung auf ihrer Homepage eingebaut.
© SPIEGEL ONLINE 2001 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet AG | ||||||||||||||||||||||||||||||
WIRTSCHAFT | NETZWELT | PANORAMA |
[ Home | Politik | Wirtschaft | Netzwelt | Panorama | Kultur | Wissenschaft | UniSPIEGEL | Sport | Auto | Reise ] [ Schlagzeilen | Leserbriefe | Forum | Newsletter "Der Tag" | Archiv | Shop | Impressum | Hilfe | Kontakt ] [ DER SPIEGEL | SPIEGEL TV | SPIEGEL Almanach | kulturSPIEGEL ] [ manager magazin | SPIEGEL-Gruppe | Mediadaten | SCHULE@SPIEGEL ] |