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23.12.99

Forget X-mas. Get online. Join E-War!
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Constantin Seibt
Etoy im Exil:

Website
(Achtung Mac-UserInnen: Wer mit dem Internet Explorer dahinsurft, muss mit einem Totalabsturz rechnen. Der Netscape Communicator hat hingegen keine Probleme.)

E-Mail




Sympathisierende
Websites
Cyber-, Info- oder E-War sind pressewirksame Begriffe, vorzugsweise gebraucht von Verteidigungsministerien oder deren Computerspezialisten zwecks Hebung des eigenen Budgets: Infowar ist auch Hype. De facto beschränkt sich das reale Hacking meistens auf das Umschreiben von Websites; grosse Schäden sind vor allem Gerücht. Dass irgendein krankes Genie aber eToys tatsächlich zum Absturz bringt, ist somit eher unwahrscheinlich. Realer ist «Flooding»: das Herunterladen eines kleinen Programms, das ständig die Website von Etoys abruft … ein virtuelles Sit-In tausender Netzbenützer, das den Server verstopft. Nach eToys Pressemeldung ist «Flooding» allerdings harmlos: «Wir sind bereit, Millionen auf unserer Website zu empfangen», teilten die «TYPICAL EBUSINESS SHITHEADS» (www.pigdog.com) mit, «und übrigens … wir sind nicht gegen Kunst … Wir wollen nur nicht, dass unsere Konsumenten verwirrt werden.»
Trotz dieser Beteuerung wurde die Flooding-Side auf dem Server der Kunst-Organisation «The Thing» auf Betreiben der – so www.pigdog.org zum letzten – «INTERNET ENTREPRENEUR BASTARDOS» von eToys abgestellt (und ist inzwischen bei io.aec.at/eKillerToy/index2.html in Österreich gelandet). Ebenfalls wurde etoy sogar – entgegen dem Gerichtsbeschluss – das E-Mail gekappt.
Exil-Homepage(Exilseite: www.toywar.com;
Exil-E-Mail: mailme@toybomb.com). Ausserdem werden alle Anti-eToys-Seiten jede Viertelstunde vom eToys Anwaltsbüro kontrolliert. Weitere Frontereignisse: im Museum of Modern Art, New York, fand diesen Montag eine Pressekonferenz mit führenden Hackern, «Wired»-Kolumnisten, KuratorInnen und zwanzig «Nikoläusen gegen eToys» statt, der techno-evangelistische Millionär John Perry Barlow von der Electronic Frontier Foundation solidarisiert sich, Börsenmakler informieren sich …
«UND ETOYS GEHT ES NICHT GUT!» Seit dem Urteil vom 29. November ist die Aktie um 40 Prozent gefallen: von $67 auf $34 – ein Substanzverlust von zwei Milliarden Dollar. «ETOYS MARSCHIERT IN EIN TOY-NAM», so www.toywar.com.

Die Kunst
Krieg fordert auf beiden Seiten Opfer: bei etoy ist es die Obskurität. Eindeutigkeit herrscht: Geknebelt dadurch, dass amerikanische Gerichte keinen Spass verstehen und die Presse ihre Statements braucht, sind sie die Guten, die Braven, die Anständigen, die Verteidiger der Bürgerrechte.
Kurz: etoy macht Kriegspropaganda. Denn kaum eine Gruppe hat so viel Verdacht, Unruhe, Ärger, verwirrte oder moralische Medienkommentare und Behördenreaktionen ausgelöst wie etoy. Schon ihr allererster Auftritt 1992 damals noch unter dem Label «hirnlein» als 156-(Pseudo)-Brutalo-Nummer «Das Blutbad» rief Medienkommentare plus Staatsanwalt auf den Plan. Die 156-Hirnlein-Nummer erschien nacheinander noch als Ufo-Telefon, Ozonloch-Telefon, LSD-Telefon in Realität und Medien.
1994 beschloss etoy von Zürich und Wien aus ins Internet zu emigrieren: Bekräftigt wurde der Entschluss der sieben etoy-Agenten durch Uniformierung mit Glatze, oranger Jacke und Spiegelbrille. Das Projekt, das sie berühmt machte, war der «digital hijack»: eine Überlistung von Suchrobotern, die ahnungslose Internet-Benützer auf die obskuren Tank-Seiten von etoy führten: Wo einen dann ein Auge anstarrte, eine gepiercte Brust (deshalb die Anklage: Pornografie), ein Virtuelles-auf-Feinde-schiessen-Training (man traf immer daneben) oder ein Bild des Oklahoma-Attentats mit dem Satz «So eine Arbeit braucht viel Training» (deshalb die Anklage wegen Gewaltverherrlichung) empfingen. Dazu kamen massenweise Slogans wie «always online. sometimes lost», unperfekte Technomusik und das Angebot, anonyme Drohbriefe mit der Unterschrift «from nobody and etoy» zu verschicken – was den CIA dazu brachte, zwei Beamte der österreichischen Terrorabwehr zwecks Untersuchung von möglichen Internet-Verbrechen vorbeizuschicken. (Die Beamten besassen keinen Computer und tippten die Vorladung auf Schreibmaschine.)
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