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5.1.2000

Cyberkrieg: Kapituliert eToys?
Constantin Seibt
Siehe auch:

Join E-War (WoZ Nr. 51-52/99)

Pressedokumentation:
Open Directory - Society: Activism: Media Activism: Culture Jamming: etoy

Etoy im Exil:

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Und hier die Fortsetzung des Frontberichts: EToys - der schurkische, ehemals auf 8,5-Milliarden-Dollar kapitalisierte Online-Spielzeugvertreiber - wankt einer Niederlage entgegen. Noch am 29. November hatte eToys einen juristischen Sieg gefeiert, als es der zwei Jahre zuvor gegründeten Kunst-Gang etoy vor einem kalifornischen Gericht ihre Internet-Adresse vorsorglich sperren liess... (Zu Details siehe die WoZ-Kriegsberichterstattung aus Nr. 51-52/99)

Und nun... nach Boykottaufrufen, E-Mail-Kampagnen, hundert Presseartikeln, einem virtuellen Sit-In, das eToys-Server verstopfte, 400 Cyberkrieg-Homepages, zahllosen Protesten und Beleidigungen und einem schwindelerregenden Sturz der Aktienwerte von $ 67 auf $ 26.75 (Stand: Jahreswechsel)... scheint die Vernunft Einzug gehalten haben: Ein Lernprozess, der die eToys-Aktionäre über vier Milliarden Dollar Spielgeld kostete.

«Die Menschen sagen uns», behauptete der eToys-Pressesprecher, «sie wollen, dass die Kunst von etoy und der E-Commerce von eToys miteinander koexistieren.» EToys «werde die Klage gegen etoy nicht weiter verfolgen». Also: Sieg! Sieg? Ein Sieg des Guten - in Koexistenz mit dem geläuterten Bösen? Werden nun «eToys Aktienkurse sich hoffentlich wieder ein wenig erholen», wie es etoy in einem christlich angehauchten Weihnachts-E-Mail schrieb?

Jein. Denn erstens hat eToys mit ihrem Statement, «nie etwas gegen Internet-Kunst oder Redefreiheit gehabt zu haben» noch nichts Konkretes getan und die Klage, wie der etoy-Anwalt Chris Truax bemerkte, auch nicht «fallen gelassen» sondern eben nur «nicht weiterverfolgt». Des weiteren spricht der eToys-Stil, zuerst die gesamte Weltpresse zu informieren statt das attackierte Opfer - auch nicht für Frieden. «Zuerst versuchten sie uns zum Schweigen zu bringen (indem sie mehr als eine halbe Million Dollar für Anwälte ausgaben), dann drehen sie die Uhr zurück und sagen ... 'Wir hatten nur ein kleines Missverständnis' ... HABEN WIR ETWAS VERPASST?», bemerkte etoy.
In der Tat gleicht eToys Zivilverhalten einem Hai, der es nicht geschafft hat, den Todesbiss zu setzen und nun in die tiefe See abtaucht. Das Minimum, so etoy, sei eine Entschuldigung - und möglichst eine, die von Herzen kommt, also bei einem Unternehmen: vom Geldbeutel. Immerhin hat der Steit etoy ein paar zehntausend Dollar gekostet.

So ruft die Aktivistenvereinigung RTMarc zu weiteren E-Kampagnen auf, bis sich eToys entschuldigt hat, der Schurken-CEO Toby Lenk zurückgetreten ist oder die Aktie bei $ 0 steht. Auch etoy geht in die Offensive: Mit der Kriegsseite und einem Rekrutierungsprogramm für 700 etoy.AGENTEN. Denn so leicht darf eToys nicht davonkommen, gerade da der Fall alles andere als einzigartig ist. So verklagte beispielsweise Mitte Dezember in Frankreich eine neu gegründete Investmentfirma namens Leonardo das seit 26 Jahren bestehende Kunstnetz Leonardo auf eine Million Dollar an Kundengeldern, die ihr wegen der Namensgleichheit entgangen seien ... und liess das mit Papieren bis zum Dach vollgestopfte Haus der über achtzigjährigen Kunstzeitungs-Gründerin von der Polizei stürmen, um alle Dokumente mit dem Wort Leonardo zu beschlagnahmen - «Schade, dass sie es dann doch nicht taten. Es wäre die einzige Möglichkeit gewesen, hier endlich einmal aufzuräumen», sagte der Enkel der Angeklagten, als die Büttel der Investmentfirma mit nur zwei Bananenkisten wieder abgezogen waren.

So hat RTMark Recht, wenn es sagt: Es ist ein Präzedenzfall ... eToys muss eine Lektion erhalten, die die Online-Welt nie vergisst. Denn der Kapitalismus ist auch im Netz alles andere als passé. Das Böse lebt weiter. Der Krieg geht weiter.


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